24. Tag von Silistra nach Konstanza 140 km
Nach 2,5 km überquerten wir wieder die Grenze nach Rumänien. Heute fuhren wir die Königsetappe, wo wir das Schwarze Meer erreichen wollten.
Wir waren noch nicht lange auf der Strecke, als ich ein lehmverputztes Haus als Fotomotiv ausmachte. Kaum hatte ich den Fotoapparat in Stellung gebracht, erschient ein Bub, der mir unmissverständlich klar machte, dass so ein Foto gebührenpflichtig sei. Da erschien auch schon seine kleine Schwester. Kaum hatte ich die beiden im Kasten erschien die dritte Schwester, die auch mitmischen wollte. Als ihm Mitko das bulgarische Kleingeld gab, stellte er mit Kennerblick fest, dass man mit dem Geld jenseits der Grenze was bekommt. Die Bananen teilte er gerecht mit seinen Schwestern.
Ich hatte immer ein ambivalentes Verhältnis zu diesen Fotos. Einerseits erinnere ich mich zurück in meine Kindheit, wo alle zwei Wochen der, wie wir es nannten "Milupawagen", Babynahrung zum Dorfarzt lieferte. Er war immer eingekreist von 20 Kindern, an die der Fahrer die zuckersüßen Werbepackungen verteilte. Andererseits empfinde ich das systematische Betteln auch als einen Würdeverlust für dieses Volk. Aber diese Fotos zeigen die pure Unschuld der Kinder und auch das Stück Sonne, das sie verbreiten. Zur Taufe meines ersten Enkelkindes schrieb ich ein Lied mit dem Refrain "und, ich denk bei mir, so muss es sein, wenn der Herrgott lacht". Der Herrgott lachte uns damals mitten ins Gesicht.
Nach ca. 20 km erreichten wir das Dervent Kloster, in das der Prior seit 1990 zurückkehrte und mit 17 Mönchen wiederbelebt wurde. Es wird auch als beliebtes Radquartier für "Donauradler" genutzt. Rund ums Kloster gibt es viel Weinbau, die Gärten sind jedoch mit massiven Stacheldraht Zäunen abgeschirmt.
Danach ging es durch viele lang gezogene Dörfer, die uns immer auch ein paar Kilometer Pflastersteine schenkten. In einem Dorf sahen wir das Hunderudel zu spät und Mitko konnte die gefährlich nahe Meute nur mit dem Pfefferspray stoppen. Nach 70 km besichtigten wir in Adamclisi das römische Monument Tropaeum Traiani. Es ist ein Siegesdenkmal der Römer, die im Jahr 108 unter Kaiser Traian die Daker besiegten. Ende des 1400 Jhdt. wurde das Gebiet von den Osmanen erobert. Der Name Adamklissi beziehungsweise Adam Kilise (türkisch „Kirche des Mannes“) entstand durch einen Irrtum. Die Türken hielten das Denkmal für eine Kirche.
Irgendwo auf der Strecke sprangen zwei Schäferhunde über die Mauer einer scheinbar aufgelassenen Fabrik , die aggressiv auf uns zu sprinteten. Ein zweites Mal an diesem Tag setzten wir den Pfefferspray ein, der sie augenblicklich anhielt. 15 km vor Konstanza stand ein Schiff am Straßenrand, dass offensichtlich den Beginn der Stadt markierte. Als wir ein Foto machten, war wieder einer, der eine Gebühr einheben wollte. Aber dieses Mal fuhren wir ohne Zollabgabe weiter. Es war zwischenzeitlich Oktober geworden und die Dämmerung kam hier im Osten auch schon deutlich früher. So wurde es bereits ein bisschen dämmrig, als wir die letzten 15 km auf der verkehrsreichen zweispurigen Straße in die Stadt fuhren. Wir hielten auch 10 bis 15 Meter Abstand von einander, da einige ziemlich vertiefte Kanaldeckel eine ständige Sturzgefahr bedeuteten.
Schließlich standen wir mit einem erhebenden Gefühl vor dem Schwarzen Meer. Wir suchten nicht lange herum und checkten im IBIS Hotel ein. Morgen wollten wir noch die restlichen 140 km nach Tulcea in einem Stück fahren.
