19. Tag von Negotin nach Lom 102,5 Km
Am Start der vierten Etappe nach Belgrad war eines sicher, Mitko hat seine Knieprobleme hinter sich gelassen. Die Strategie, einen Tag auszulassen, war erfolgreich.
Nachdem wir in dem hässlichen "Kommunistenhotel Inex" ausgezeichnet gefrühstückt hatten, ging es wieder in den strahlenden Tag hinein. "Kommunistenhotel" war für uns zwei, die wir Jahre im Osten gearbeitet haben ein Synonym für ein typisches "Ostblockhotel". An der Rezeption war die strenge "Internatsleiterin" die wir immer "Misses Important" nannten. Die Zimmer waren meistens mit schweren Teppichen ausgelegt und das Foyer hatte den Charme eines Arbeiterkammersaals. Im 1979 herausgegebenen internationalen Jahrbuch für Literatur "ensemle 10" schreib der Schriftsteller Herbert Rosendorfer "Der Sozialismus kann nur dann die Zukunft sein, wenn den Menschen das ästhetische Gefühl aberzogen wird". Überall bei dieser Radtour stehen die Zeugen dieser Ästhetik in der Landschaft. War für mich diese Reise als Reise in die Langsamkeit geplant, so drängten sich aufdringlich auch die Bilder meiner Auslandseinsätze in die Erinnerung.
Doch nichts trübte die herrliche Fahrt bei diesem Prachtwetter mit meinem wieder gesundeten Freund. Nach 14 km kamen wir an die bulgarische Grenze (Land Nummer 7), das Land von Mitko's zweiter Muttersprache (beide Eltern sind Bulgaren). Vorher, noch in Serbien bestaunen wir eine Wegtafel am Straßenrand, auf der zahlreiche Einschusslöcher von Schießübungen zeugten. Zwei dieser Löcher hatten einen Durchmesser von 2,5 cm, was davon zeugt, dass das Leben hier noch ein bisschen ungenormter verläuft (bei uns hätte so ein Loch die Einsetzung einer Untersuchungskommission zur Folge). Am Grenzübergang interessiert sich der Zöllner für unseren Pfefferspray. Als wir im wahrheitsgemäß sagten, dass wir ihn gegen Hunde Attacken mit uns führen, ließ er uns ohne Schwierigkeiten durch, aber bei den nächsten Grenzkontrollen werden wir ihn nicht mehr außen am Rucksackgurt tragen.
Fünf Kilometer nach der Grenze überwanden wir die einzige nennenswerte Steigung von ca. 150 Hm. Als wir nach der rasanten Abfahrt unten ankamen, stellen wir fest dass Mitko seinen Schlafsack verloren hatte. Ich hatte schon das Gepäck abgelegt, um wieder zurückzufahren, als ein Lada, der uns bei der Abfahrt entgegenkam, zurückkehrte und stehen blieb. Die vier beleibten Zigeuner, die im Lada saßen, übergaben uns lachend den Schlafsack.
Nach ca. 45 km stießen wir in Widin wieder auf die Donau, wir nutzten den schönen Hauptplatz auch gleich für die Mittagspause. Es war eine abwechslungsreiche Etappe, wo wir durch Zigeunerdörfer mit pfeifenrauchenden Frauen kamen. Irgendwo trafen wir an einem Panzer und ein Mann, der mit der Axt und Pferd am Straßenrand Brennholz machte, klagte uns, dass die Jungen nicht mehr arbeiten wollen. Für unsere Radtour hatte zeigte er ebenfalls ein freundliches Unverständnis.
In Lom war hatten wir ein prächtiges Abendessen in einem tollen Lokal. Mitko bestellte zur Vorspeise Kaymak mit Weißbrot, was mir derart gut schmeckte, dass ich an diesem Abend zwei Vorspeisen bestellte.
Bei einem Glas Bier und einem Fußballspiel vom ZSKA Sofia in einem stimmigen Lokal ließen wir den Abend ausklingen.