4. Tag Frankfurt/Oder – Forst (Lausitz) 101,5 km
Ein strahlender Tag begrüßte mich, als ich am Morgen zum Frühstück schritt. Es wurden Temperaturen um 30 Grad prognostiziert. Kurz nach 8:00 startete ich die Tour. An der Brücke über die alte Oder gab's noch ein letztes Foto und nach einer knappen Stunde Fahrzeit war ich wieder am Damm der Oder. Eine Stunde später erreichte ich Eisenhüttenstadt, wo ich auf der Brücke des Oder-Spree-Kanals ein schönes Foto von der ST. Nikolai Kirche machte. Auf den ursprünglichen Plan, die heute denkmalgeschützte EKO- Wohnstadt (ehemals Stalinstadt) zu besichtigen, hatte ich keine Lust. Der Schriftsteller Herbert Rosendorfer schrieb 1979 "Der Sozialismus kann nur dann die Zukunft sein, wenn den Menschen das ästhetische Gefühl aberzogen wird". Diese Architektur, die ich zutiefst verabscheue zu besuchen, wäre gleich sinngebend, wie wenn ich auf einen Misthaufen steigen würde, um mich zu vergewissern, dass er eh noch stinkt.
Eine knappe Stunde später stand ich am Oder Neiße Zusammenfluss in Ratzdorf. Ab hier folgte ich der Lausitzer Neiße. In Guben stärkte ich mich bei einer Bäckerei mit Kuchen. Die Stadt erlangte negative Berühmtheit, als 1999 Neonazis drei Asylwerber angriffen und ein Algerier starb. Der Haupttäter trat 2019 bei den Kommunalwahlen als NPD-Kandidat an. Für mich ging es weiter Richtung Süden, immer den Damm entlang, von Zeit zu Zeit waren Passagen mit Betonplatten zu absolvierten, hier lernte ich die Stoßdämpfer meines Rades zu schätzen. Zwischenzeitlich war es richtig heiß geworden und ich nutzte eine Badeplattform bei Grießen, um meine Füße zu kühlen. Vom rechtsseitig liegenden Kohletagbaugebiet habe ich außer einer Protesttafel nichts mitbekommen. Nach fast sechseinhalb Stunden schloss ich die Etappe in Forst Lausitz ab. Das Bed & Breakfast am Waldgürtel lag zwar ein bisschen außerhalb der Zentrums, aber die netten Gastgeber offerierten mir sogar das „nicht vorhandene Bier“ für mich einzukaufen. Das gekühlte Mineralwasser ging aufs Haus. Der Italiener um die Ecke hatte Spaghetti und Bier…
5. Tag Forst (Lausitz) – Görlitz 103,6 km
Bei bewölkten Himmel startete ich um 8:00 in Forst. Vorbei an dem noch geschlossenen Rosengarten, der auf 17 Hektar und über zehntausend Rosenstöcken und 1000 verschieden Rosenarten zu besichtigen hat. Nach einer halben Stunde war ich wieder mitten in der Natur, immer der Neiße Richtung Süden folgend. In Bad Muskau stand im Fürst Pückler Park das schöne Schloss. Es gehört seit 2005 zum UNESCO-Weltkulturerbe. Danach machten schöne Waldstücke und leichte Hügel den Weg ein bisschen kurzweiliger. Das Wetter wurde immer schöner und die Temperatur näherte sich langsam wieder der 30 Grad Grenze. In Rothenburg Oberlausitz gab es am Marktplatz eine hervorragende Pasta, ich versorgte mich hier auch noch mit frischem Wasser. Nach ca. 80 Kilo versäumte ich es zum östlichsten Punkt Deutschlands zu fahren, es wären nur 1,3 Kilometer gewesen. Ich tröstete mich später in Görlitz, dass ich ein Bier in der östlichsten Brauerei Deutschlands getrunken habe. So fuhr ich gestärkt die letzten Kilometer dieser schönen und doch irgendwie ereignislosen Etappe bis nach Görlitz. Der Anstieg zum Hotel Akzent Hotel am Goldenen Strauss am Obermarkt lies den Puls noch mal steigen, aber schon bei der Einfahrt in die Stadt war ich verliebt in sie. Nach einem freundlichen Empfang und sicherer Verwahrung meines Rades ging ich sofort in die Dusche, um danach die Stadt zu besichtigen. Ich nahm dazu eine Busfahrt mit Stadtführung, die sehr informativ und angenehm war. In der Brauerei Landskron machte der Bus eine halbe Stunde Halt und so kam ich, wie bereits erwähnt in der östlichsten Brauerei Deutschlands zu meinem Etappenbier. Es war nicht nur das östlichste, sondern auch das köstlichste, das ich bislang in Deutschland trank.
Nach der Stadtführung nahm ich mir auch noch 1 ½ Stunden, um die Stadt noch „per pedes“ zu erkunden. Fast schien es mir, als hätte ich einen längeren Kulturentzug aufzuholen und so flanierte ich beseelt durch diese wunderbaren Gassen, bis mich endlich der Hunger zur Pause mahnte. Auch das Essen war vorzüglich und bereichert durch zwei kühle helle Landskron..
6.Tag Görlitz – Decin 105 km 1000 Hm
Nachdem ich über Prag nach Wien wollte, habe ich mich entschlossen, bei Zittau zur Elbe rüber zu wechseln. Es gab um sieben Frühstück, sodass ich um halb acht starten konnte. Das Wetter war wie gezeichnet und so war es eine Lust aus Görlitz hinaus zu radeln. Nach 25 Kilometern erreichte ich das Klosterstift St. Marienthal, dies ist eine Zisterzienserinnen-Abtei und das älteste Frauenkloster des Ordens in Deutschland, das seit seiner Gründung ununterbrochen besteht. Die Ordensschwester im Klostershop verkaufte mir griesgrämig zwei Apfelschorlen für meinen weiteren Weg. Nach drei Stunden traf ich in Zittau ein, hier war mein Oder/Neiße Weg zu Ende. Ab jetzt ging es Richtung Westen zur Elbe. Wahrscheinlich war es den vielen Tracks, die ich für die Alpenumrundung auf Naviki gespeichert habe, geschuldet, dass ich meinen vorbereiteten Track nicht finden konnte. So blieb mir nichts anderes übrig, als an Ort und Stelle einen neuen zu kreieren. Ich gab Decin als Zielort ein und „Rennrad“ als Vehikel, um MTB Tracks zu vermeiden. Fünf Minuten später war ich auch schon aus Zittau raus, wo ich zunächst dem Fluss Mandau folgend flach dahinfuhr. Danach ging es links weg und zehn Kilometer ständig bergauf bis zur tschechischen Grenze.
Nach einer sechs Kilometer langen Abfahrt galt es den zweiten Hügel zu erklimmen. Die Temperatur war wieder bei 30 Grad und ich war in der Mitte von Nirgendwo. Wie man ein Rennrad auf solche Wege routen kann, muss ich bei Naviki noch nachfragen. Das Letzte, das ich von der Zivilisation sah, waren drei biertrinkende Zigeuner vor ihrer Hütte, die auf meine Frage, ob ich hier nach Decin käme, abschätzig in die Fahrtrichtung zeigten (fahr weiter du Trottel). Gott sei Dank wurde der Forstweg nach einer 100 Meter Schiebestrecke wieder fahrbar, aber alleine in der Pampa wurde mir schon ein bisschen mulmig. Die Erlösung kam in Form einer Bundesstraße nach 65 Kilometern. Danach gab es eine Abfahrt von 40 Kilometer, unterbrochen nur von einer kurzen Steigung über 50 Höhenmetern. Es war die pure Lust, ich jauchzte übermütig den zahlreichen Wanderern zu. Nach 80 Kilometern belohnte ich mich in Böhmisch Kamnitz mit einem Eis, bevor es die letzten 25 Kilometer im Leerlauf auf Decin runterging. Das Hotel Česká Koruna lag direkt am Hauptplatz, ich war an der Elbe und die Welt war wieder mal schön.